Inside Curaden

Wie in 2,5 Sekunden aus 5’460 Filamenten ein Bürstenkopf wird: Ein Ausflug zum Ursprung der Curaprox-Zahnbürsten

Bunt, schlicht und wohlgeformt. Ihr unverwechselbares Design, zeitlos und funktional, macht die Zahnbürste von Curaprox zur Ikone. Dieser Klassiker ist – kaum zu glauben – gerade 40 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jubiläums fahren wir dahin, wo die Zahnbürste herkommt: Degersheim im Toggenburg. Hier treffen wir Marco Zavalloni, den Geschäftsführer und CEO von Curaplast. Und wir erleben, wieviel Leidenschaft und Schweizer Präzision in dieser Zahnbürste steckt.

Degersheim, ein Dorf mit rund viertausend Einwohnern, Ausgangspunkt für Wanderungen und Radtouren. Das Dorf liegt in einer hügeligen Landschaft. Im Winter laufen hier drei Skilifte, nur knapp 30 Kilometer südwestlich des Bodensees.

Zwischen Bahnhof und Sportplatz steht ein zweistöckiges Gebäude, davor zwei Silos mit der Aufschrift «Curaplast, molding technology». Die Curaplast gehört zu dem Familienunternehmen Curaden AG, das die Marke Curaprox weltweit vertreibt. Das Unternehmen mit Sitz in Degersheim ist spezialisiert auf Spritzgusstechnologie. In diesem Fall: auf die Herstellung von Zahn- und Interdentalbürsten von Curaprox.

Wälder, Wiesen, der Sportplatz – draussen dominiert Grün. Tritt man durch die Tür ins Gebäude, ist alles blau-weiss. Blau, das ist die Farbe von Curaprox und hier entstehen die Produkte dieser Marke.

Zahlreiche Maschinen laufen mit hoher Geschwindigkeit, gut geschützt hinter Glaswänden. Es ist auffallend sauber hier. Am Monitor steht ein Mitarbeiter in blauem Overall und betrachtet aufmerksam die Werte, die ihm der Bildschirm anzeigt. Er führt die Kontrolle über die Produktion und überprüft, dass alles rund läuft. Während er dasteht, total konzentriert, laufen rund um ihn die Maschinen. So schnell, es gelingt mir kaum, mit meinen Augen zu verfolgen, was gerade passiert. Hunderte bunte Zahnbürsten sind in Bewegung. Roboterarme greifen sie, bewegen sie von einem zum nächsten Produktionsschritt. Dazwischen Förderbänder und automatisierte Technik.

Marco Zavalloni, CEO Curaplast (links) mit Ezio Gabriele, Produktionsleiter (rechts)

«Nicht ganz wie vor 40 Jahren», spielt Marco Zavalloni auf das Jubiläum an, lacht und holt mich aus meinen Gedanken. Zavalloni ist Geschäftsführer der Curaplast AG und führt uns durch die Fabrik. «Aber, und das ist wirklich wahr, am Design der Zahnbürste hat sich die letzten vierzig Jahre kaum etwas geändert.»

Der Bürstenkopf ist auffällig klein, der Achtkantgriff pfeifengerade. Und tatsächlich, bis auf ein paar Kleinigkeiten sieht diese Zahnbürste heute, nach 40 Jahren, noch genau gleich aus.

«Noldi Braun, er hat das ursprüngliche Design unserer Zahnbürste entwickelt, indem er einer einfachen Absicht folgte: die Herstellung einer Zahnbürste mit einer so einfachen Handhabung wie nur möglich. Braun wollte etwas Praktisches und Einfaches schaffen. Das gelang ihm 1979 mit dem Entwurf dieser Zahnbürste, die sich inzwischen über 300 Millionen Mal verkauft hat.»

Aber etwas hat sich über all die Jahre geändert: der Herstellungsprozess. «Früher wurde vieles von Hand gemacht, heute ist fast alles automatisiert. So benötigen wir für die Herstellung weniger Arbeitskräfte. Die Anforderungen an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind heute ganz andere.»

«2019 haben wir elf Millionen Zahnbürsten produziert, dieses Jahr sollen es 14 Millionen werden.»

Geschäftsführer Marco Zavalloni in der Produktionshalle der Curaplast AG in Degersheim, SG.

Für die Curaplast arbeiten elf Personen. In zwei Schichten bedienen sie die Maschinen in der Fabrik, rund um die Uhr. Wer hier arbeitet, ist für die Maschinen geschult, es braucht Sorgfalt und einiges an Wissen.

2019 produzierte Curaplast in Degersheim elf Millionen Zahnbürsten, also 3’000 pro Stunde, rund 50 pro Minute. Dieses Jahr ist das Ziel noch höher gesteckt: 14 Millionen Zahnbürsten sollen hier vom Band laufen. Das Team um Marco Zavalloni sucht inzwischen neue Mitarbeiter, um die Belegschaft der Fabrik zu verstärken.

Auf unserem Rundgang fällt eines auf: Es ist ausgesprochen ruhig. Das erstaunt, da sämtliche Maschinen auf Hochtouren laufen. Doch als wir zur Formgrube gehen, ist es vorbei mit dieser Ruhe: Es klappert, laut und ununterbrochen. Hier kommt das Granulat aus den Silos ins Innere der Fabrik, wird geschmolzen und gemeinsam mit einem Farbstoff erhitzt. Bei 240 Grad wird die Masse binnen weniger Sekunden in eine Form gepresst, heraus kommt der Achtkantgriff.

«Das Geheimnis unserer Zahnbürste? Einfaches Design und hochwertige Materialien.»

Die Griffe kühlen ab, das braucht Zeit. Das ist wohl der gemächlichste Abschnitt auf dem Weg zur Fertigstellung. Diese Zeit braucht das Material, damit es in Form bleibt. Kühlt man zu schnell runter, schrumpft das Plastik oder verformt sich. Also nutze ich die Gelegenheit und frage, was ich schon länger fragen wollte: «Was ist das Geheimnis dieser Zahnbürsten?»

Marco Zavalloni lacht, diese Frage kennt er gut: «Es gibt zwei Dinge, die unsere Zahnbürste ausmachen: das einfache Design und hochwertige Materialien. Statt normaler Borsten verwenden wir spezielle Filamente, deshalb fühlt sich die Bürste so weich an und verletzt nicht, auch weil die Filamente abgerundet sind. Und herkömmliche Zahnbürsten haben ungefähr 500 Borsten. Auf dem Bürstenkopf unseres Klassikers, der CS 5460, sind 5’460 Filamente angeordnet, büschelweise. Und die machen sie so ultra soft. Zudem liegt der Griff, acht Kanten hat er, besonders gut in der Hand – ergonomisch durchdacht.»

Was ist das Besondere an den Filamenten? «Wir stellen sie aus Curen® her, einem speziellen Material. Die meisten Marken setzen auf Polyamid. Doch Polyamid saugt Wasser auf, das verändert die Borsten. Curen® bleibt immer gleich, immer weich, denn es absorbiert das Wasser nicht.»

Also keine herkömmlichen Nylon-Borsten, sondern extrem feine Filamente aus Curen®. Und die sind supersanft zu den Zähnen, zum Zahnfleisch.

Auch die Materialien sind seit vier Jahrzehnten unverändert: «Wenn man plötzlich andere Rohstoffe verwendet, ändert sich auch das Gefühl der Zahnbürste, das merken die Kunden. Wir setzen auf Konstanz und verwenden ausschliesslich Materialien mit Zertifizierungen. Das garantiert, dass die Ware hochwertig und sauber ist.»

2015 wurde das Werk in Degersheim eröffnet. Seither hat Curaprox die Produktion von einem externen Hersteller hierher verlegt. Was gleich bleibt: Made in Switzerland.

Hier in Degersheim lässt Curaprox eine ganze Reihe von Produkten herstellen: Die Zahnbürsten CS 5460, CS 3960, CS 1560 sowie die Babyzahnbürste Curaprox Baby und die Bürstenköpfe für die Schallzahnbürsten Hydrosonic. 2019, das war ein grosser Schritt, ist zudem die Produktion der Interdentalbürsten CPS prime angelaufen.

«Ich denke, ein grosser Teil unseres Erfolges ist darauf zurückzuführen, dass wir hier produzieren, in der Schweiz», sagt Marco Zavalloni und darauf sei er besonders stolz. «Man sagt nicht zu Unrecht, dass die Schweizer Produktion für ihre Präzision und hohe Qualität bekannt sei, nicht wahr?»

So werden sie hergestellt: vom Granulat zur Zahnbürste – und das in fünf Schritten

1. Form und Farbe

Spritzgusstechnologie, sie macht es möglich: Zwei Schläuche führen von der Decke in eine Maschine. Sie ist gross, ungefähr wie ein Lieferwagen. Über diese Schläuche gelangt das Granulat aus den Silos ins Innere der Fabrikhalle. Hier wird es auf 240 Grad erhitzt, zusammen mit dem Farbstoff. Sobald es flüssig ist, wird die Masse in eine Form gespritzt – und heraus kommt die bunte Zahnbürste.

Also vorerst nur der Griff. Ein paar Sekunden, und schon ist dieser Schritt vorbei. Etwas länger dauert es, das gegossene Material abzukühlen. Wenn es soweit ist, wird der Griff geprägt: der Modellname in silbernen Buchstaben und Zahlen, zum Beispiel CS 5460 und dazu ein Schweizerkreuz. Bereit für die nächste Etage?

Farbiges Granulat
Spritzgussmaschine 
Spritzgussmaschine 
Prägung

2. Filamente, dicht an dicht

Jetzt geht es ein Stockwerk nach oben, in den ersten Stock: Hier liegen die Filamente bereit. Es ist beinahe unmöglich, den Bewegungen des Roboters zu folgen. Zu langsam ist das menschliche Auge, um zu erkennen, was passiert: Die Filamente werden erst zu kleinen Büscheln gebündelt, dann in den winzigen Löchern auf dem Bürstenkopf verankert. Auf jedem Bürstenkopf stehen 39 solcher Büschel. Gerademal zweieinhalb Sekunden dauert es, bis 5’460 Filamente dicht an dicht angeordnet sind.

Die Filamente von Curaprox sind aus Curen®. Dieses Material unterscheidet sich von herkömmlichen Nylon-Borsten: Es ist besonders weich und behält dennoch seine Form, das ist superschonend für das Zahnfleisch. Das Material ist patentiert, wird nur für Curaprox verwendet.

Zahnbürstengriffe auf dem Weg in die Beborstungsmaschine 
Beborstungsmaschine

3. Schneiden und abrunden

Um alle Filamente auf die gleiche Länge zu bringen, werden sie gleich dreimal zugeschnitten. Der Schnitt hinterlässt Kanten an den Enden der Filamente. Hier kommt die Präzision zum Zug: Unter der Schleifmaschine werden die Filamente abgerundet, fein säuberlich, so dass sie weder Zähne noch Zahnfleisch verletzen.

Borstenschleifmaschine
Qualitätskontrolle der Filamente

4. Doppelte Qualitätsprüfung

Schweizer Genauigkeit, die wird hier gelebt: So wird jede Zahnbürste im Herstellungsprozess gleich zweimal überprüft. Die erste Kontrolle erfolgt unmittelbar nach dem Prägen. Kameras erkennen, wenn zum Beispiel Farbe fehlt. Das passiert nur selten und wenn, dann heisst es Endstation. Die Zahnbürste wird vom Band entfernt.

Die zweite Kontrolle erfolgt nach dem Schneiden und Abschleifen: Nebst Kameras überprüfen hier Arbeiterinnen, ob alles in Ordnung ist. Wenn nur ein Filament zu lang ist, wird es von Hand abgeschnitten. Nur was höchsten Standards genügt, wird fürs Abpacken freigegeben.

Qualitätskontrolle nach der Prägung
Qualitätskontrolle nach der Beborstung

5. Einpacken und fertig

Die Zahnbürste ist bereit, jetzt wird ihr ein durchsichtiger Schutzkopf aufgesetzt. So bleiben die Filamente auch in Form, wenn man die Zahnbürste einpackt. Diese Schutzköpfe werden in einer nahen gelegenen Fabrik hergestellt. Der Blister, eine dünne Kunststoffform, liegt bereit, da wird die Bürste hineingelegt. Kartondeckel drauf, verschliessen und fertig ist die Verpackung. Jetzt ist die Zahnbürste bereit für den Verkauf.


Fotos: Piotr Gaska, Jana Gombiková